CON:FUSION 2014 fand am 27.-30. November 2014 in Wabern-Falkenberg statt. Das Thema war „Exzentrisch glauben“.
Aus der Ausschreibung:
Die gängige Version des Christentums erzeugt nicht selten Ohnmacht nach außen und Leiden an biografischen und intellektuellen Widersprüchen innen. Warum ist das so, und was ist die Alternative? Immer wieder kamen wichtige Impulse für einen geistlichen Aufbruch nicht aus den Zentren und den Hierarchien, sondern von den Rändern der Kirche. Was (und wen?) entdecken wir, wenn wir dort hinsehen?
Zwischen Diagnose und Perspektive werden wir an diesen Tagen nach Grundlagen für eine andere Art von Christentum suchen: mit einem gemeinsamen geistlichen Rahmen und Arbeit in der Küche, mit kreativem Schwung und erschreckend anspruchsvoller Theorie. Wir halten das große Bild der Gesellschaft mit ihrer Geschichte und den Mikrobereich der Biografie zusammen. Und wir erwarten, dass sich aus vielen unterschiedlichen Menschen und Erfahrungen etwas Neues erhebt.
Wie das genau aussieht, hängt in hohem Maß von denen ab, die dabei sind und sich mit ihren Fragen, Hoffnungen und Lösungen einbringen. Wir bereiten einen Rahmen vor, in dem viel möglich ist und bieten Impulse an; was davon durch kleine und große Gruppen aufgegriffen wird, darüber entscheiden barcampig die Teilnehmenden mit ihren Interessen.
CON:FUSION 2014 hat drei sich ergänzende Themenschwerpunkte:
Ver- und Entbürgerlichung des Christentums
Auf dem Boden des christlichen Abendlandes ist ein neuer Menschentyp entstanden: der bürgerliche Mensch. Anfänglich eine kleine, oft genug gefährdete Minderheit, hat er sich im 20. Jahrhundert gesellschaftlich durchgesetzt und ist inzwischen dabei, der Welt sein Gesicht zu geben. Bemerkenswert, dass die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft sich ausgerechnet im christlichen Abendland herausbilden konnte, andererseits aber hier auch der Atheismus der Moderne seine Wurzeln hat.
Das weist auf das ambivalente Verhältnis der Moderne zum Christentum hin: während viele ihrer Vertreter persönlich ein enges Verhältnis zum Christentum hatten/haben, stehen Grundannahmen der Moderne – gelinde gesagt – in einem starken Spannungsverhältnis zu Glauben und Kirche(n). Das Bemühen darum, eine bürgerlich akzeptable Version der christlichen Religion zu entfalten, führte zur lähmenden Selbstbeschränkung.
Während das moderne Christentum aufbrach, um die Welt für den Glauben zu gewinnen, machte sich so gleichzeitig eine merkwürdige Schwäche in seinem Kern breit. Dies schlägt sich auch in den persönlichen Leidens- und Zweifelsgeschichten moderner Gläubiger nieder.
Wir wollen miteinander der Frage nachgehen, wie die bürgerliche Moderne das Christentum verändert hat, welche Beschränkungen sie Kirche und Theologie auferlegt hat, wie sich das im subjektiven Erleben und in Biografien niederschlägt und wie ein entbürgerlichter Glaube aussehen könnte.
Zum Entrümpeln hier …
Glauben in der „Flüssigen Moderne“
Wie lassen sich in einer komplexen Welt, in der unser Leben in kurze Episoden, flüchtige Begegnungen und Momente der Lustbefriedigung fragmentiert zu sein scheint, solidarische Beziehungen aufbauen? Wie kann man Gemeinschaften aus Individuen aufbauen, in der sowohl das Leben geteilt wird, als auch für den Fremden einen Platz freigehalten wird? Wie lässt sich der eigene Glaube in einer Weise leben, die nicht einfach Flucht vor den Zumutungen der Gegenwart ist?
Der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman, ist mit seinem inzwischen 90 Jahren immer noch einer der führenden Deuter der gegenwärtigen Kultur und Gesellschaft. Dabei geht er von der zentralen Annahme aus, dass wir in einer Zeit leben, in der die Ordnung der stabilen Moderne „verflüssigt“, starre Konzepte in Frage gestellt und mit alten Traditionen gebrochen wird.
Doch ist die Folge dieser Prozesse nicht einfach eine neue Freiheit, sondern die Allgegenwart der Überwachung und der (Selbst-)disziplinierung, neue Ängste, die zum Aufkommen einer neuen Fremdenfeindlichkeit beitragen können und die Unmöglichkeit, über die bestehende Ordnung hinaus zu denken. Sein umfassendes Werk umfasst die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Gesellschaft, Kultur und Gestaltung von Lebensformen, die Frage nach Identität in der Konsumgesellschaft, die Wiederkehr von Nationalismus und die Rolle von Religion in diesen Prozessen.
Angelehnt an Zygmunt Baumans Werk wollen wir uns mit der Frage beschäftigen in welcher Welt wir derzeit leben, welche Herausforderungen uns die „verflüssigte Moderne“ gegenüberstellt, und welche Rolle das Christentum in diesen Prozessen spielt und spielen könnte.
Weiterschwimmen hier …
Verführerische Freiheit und spiritueller Widerstand
Walter Wink hat seine Theologie der „Mächte und Gewalten“ unter dem Eindruck diktatorischer, repressiver Regimes und funktionierender gesellschaftlicher Großinstitutionen entwickelt. Erstere sind aus der Weltgeschichte keineswegs verschwunden, letztere haben sich dramatisch gewandelt. Zugleich ist in der „freien Welt“ eine völlig neue Gestalt des Herrschaftssystems entstanden. In einem Gastbeitrag für die SZ schrieb Byung-Chul Han kürzlich, heute sei „die systemerhaltende Macht nicht mehr repressiv, sondern seduktiv, das heißt, verführend. Sie ist nicht mehr so sichtbar wie in dem disziplinarischen Regime. Es gibt kein konkretes Gegenüber mehr, keinen Feind, der die Freiheit unterdrückt und gegen den ein Widerstand möglich wäre.“
Wir wollen Freiheit als spirituelle Aufgabe betrachten: Wie finden wir zu einer existenziellen Praxis, die diesen neuen, diffusen Zwängen auf der Grundlage des Evangeliums Widerstand leistet? Was bedeutet es, den Mächten zu „sterben“ und unter dem Vorzeichen des Christus neu zu leben? Wie finden wir eine Sprache, die unsichtbare Unterdrückung bewusst macht? Wie gelingt es uns gemeinsam, eine herrschaftsfreie Gegenkultur zu verkörpern? Und was bedeutet das für unsere Rolle in der globalen Konsumgesellschaft?
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Wer sich fürs Praktische interessiert …